Unialltag – Verschiedene ortsabhängige Typen


Der zweite Teil der Greifswald-Reihe wird sich erneut um Charaktere meiner Studienstadt im hohen Norden drehen. Kleiner Unterschied zum vorherigen Eintrag ist, dass die Eigenschaften der beschriebenen Personen an bekannte Orte und Schauplätze meines alltäglichen (vorbildlichen, ehrgeizigen, strebenden) Studentenlebens gebunden sind. Ich würde gerne so etwas wie „Typen, die jeder kennt“ schreiben, aber da ich weder Michael Kessler heiße, noch ein 15 jähriger vermeintlich lustiger Youtuber, Facebooker oder Twitterer bin, spare ich mir den Hinweis. Dieser Teil wird sich um den Vorlesungssaal drehen. 

Der erste Ort an dem sich scheinbar unauffällige Personen in die verschiedensten Exoten verwandeln, ist der des Vorlesungssaals. Ich kann hierbei natürlich nur für meine Studiengänge sprechen, kann mir aber vorstellen, dass es sich um ein allgemeines Phänomen handelt. Nach zwei Jahren feinster Psychoanalyse meiner Kommilitonen ist es mir gelungen verschiedenste Vorlesungstypen herauszukristallisieren. Ich beginne mit dem/der Allesaufschreiber/-in. Die Gruppe der Allesaufschreiber ist genau das, was man sich unter dem Namen vorstellt. Der Professor hat gerade allgemein einen Guten-Morgen gewünscht, da ist die erste halbe Seite schon beschrieben. Selbst in Momenten der absoluten Stille schreiben sie hektisch Zeile um Zeile nieder, ohne auch nur einmal den Stift abzusetzen. Das bloße Ticken der Uhr an der Wand reicht aus, um ganze Collegeblöcke zu füllen. Ziel der Allesaufschreiber ist es, ihr Umfeld zu verwirren. Es liegt in der Natur des Studenten, dass er ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn eine Reihe vor ihm jemand die dritte Seite anfängt während man gerade das Datum und den Namen der Veranstaltung aufgeschrieben hat. Ein großes Comeback feiern die Allesaufschreiber in der Lernphase. Hier heben sie sich von der unbeliebten Ebene auf eine gottgleiche. Die nächste Gruppe ist eine ebenfalls eher unbeliebte Sparte. Es handelt sich um die Dauermelder. Die Dauermelder sind Relikte aus der Vergangenheit, genauer gesagt aus der Schulzeit. Dass es an der Uni keine mündlichen Noten gibt, ist an ihnen schlichtweg vorübergezogen. Der Dauermelder meldet sich auch dann, wenn es keine Fragen gibt. Ein kleiner Wehmutstropfen ist, dass die meisten Professoren Dauermelder auch nicht mögen, da sie den Fluss der Vorlesung stören. Einhergehend mit der Dauermelder-Eigenschaft kann auch die Kategorie, der sich immer angesprochen Fühlenden kombiniert werden. Diese Unterkategorie sind die Studenten, die sich bei ausnahmslos jeder Frage angesprochen fühlen. Auf eine Handmeldung wird hier in der Regel verzichtet und die eigene Meinung wird lauthals hereingerufen. Die Kombination aus Dauermelder und Reinrufer ist schwierig, da dem Reinrufer die wichtigste Eigenschaft des Dauermelders, das Melden, fehlt. Dennoch würde ich sie in die gleiche Klasse packen. Die nächste Vorlesungseigenschaft ist des Scheißegal-Kommilitonen. Der Scheißegal-Kommilitone macht keinen Hehl daraus, dass ihm die Veranstaltung überhaupt nicht tangiert. Meistens ist er mit einem Laptop oder Smartphone ausgestattet, surft die gesamte Vorlesungszeit im Internet oder spielt unentwegt mit seinem Smartphone. Der Scheißegal-Kommilitone ist allgemein sehr beliebt, da man sich neben ihm extrem produktiv und strebsam fühlt. Als nächstes würde ich mich gerne den Zu-Spät-Kommern widmen. Die Zu-Spät-Kommer unterscheiden sich von den anderen Kommilitonen, die zwei Minuten nach Beginn der Vorlesung noch schnell in den Saal huschen durch das Zelebrieren des späten Erscheinens. Profis in dieser Kategorie schaffen es mehrere Minuten vor dem Saal auszuharren und nach geeigneten Sitzplätzen zu suchen. Wichtig hierbei ist es den Dozenten entweder komplett zu ignorieren oder mit einem süffisanten Gruß noch zusätzlich zu provozieren. Die Zu-Spät-Kommer lösen gemischte Gefühle bei den Mitkommilitonen aus. Einerseits sind sie beliebt, da sie sich mit ihren Provokationen gegen die Macht des Professors erheben und für kurze Lacher sorgen, andererseits nervt es ziemlich wenn die Veranstaltung kurz nach Beginn unterbrochen wird. Als weitere Vorlesungseigenschaft gibt es die Laut-Unterhalter. Die Laut-Unterhalter kümmern sich nicht darum, dass es Kommilitonen gibt, die gerne aufpassen würden oder zumindest etwas mitbekommen. Sie sind vergleichbar mit der Blutgruppe AB+ (ist übrigens meine). Die Laut-Unterhalter sind nämlich nur bei anderen Laut-Unterhaltern beliebt. Bei allen anderen Studenten lösen sie Aggressionen aus, auch beim Professor. Ich wollte die letzte Kategorie eigentlich die Normalen nennen, jedoch ist mir weder etwas zu den Normalen eingefallen, noch wüsste ich, wer überhaupt ein normaler Teilnehmer einer Univeranstaltung sein soll. Deshalb führe ich noch die Gruppe der Provokateure auf. Die Provokateure sind eine Kombination aus Laut-Unterhaltern, Zu-Spät-Kommern und Dauermeldern. Anhand der Vielzahl der verschiedenen Charaktereigenschaften lässt sich schon ablesen, dass Provokateure äußerst selten gesät sind. Befindet sich einer dieser seltenen Unigeschöpfe im Raum weiß man das allerdings sofort. Der Provokateur ist entweder sehr schlau oder sehr dumm. Es gibt keinen Mittelweg. Ist der Provokateur sehr schlau und der Dozent eher unbeliebt erfreut er sich großer Beliebtheit, da er mit Korrekturen und polemischen Hinweisen die Autorität der Lehrperson elegant untergräbt und als moderner Bohème toleriert wird. Leider entspringt der Provokateur meistens der zweiten Kategorie. Konträr zum schlauen Provokateur ist er schlichtweg anstrengend. Kennzeichnend für einen dummen Provokateur ist die mangelnde Erziehung. Dem Professor begegnet er frech und versucht permanent offensichtlich richtige Dinge als falsch darzulegen. Der dumme Provokateur ist ein Phänomen, das bevorzugt in den früheren Semestern auftaucht, irgendwann verschwindet es spurlos von der Bildfläche. So viel zu den verschiedenen Vorlesungstypen. Im nächsten Eintrag wird es sich um die allseits (un-)beliebte Mensa drehen. Cheers!

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