From Ryanair with love

 

Aus und vorbei! Die Geschichtenbeziehung zwischen der Deutschen Bahn und meiner Wenigkeit ist vorerst auf Eis gelegt – wir verstehen uns einfach nicht mehr. Ich trauere der ohnehin eher einseitigen Affäre nicht wirklich nach, denn ich habe schon eine neue Liebhaberin gefunden – Ryanair. 

Die Dauer meiner Reise unterscheidet sich nicht wesentlich von meinen sonstigen Ausflügen durch die Bundesrepublik. Sie ist ziemlich genau gleich lang sogar. Feiner Unterschied diesmal – statt von Greifswald nach Frankfurt geht es von Greifswald nach Coimbra. Fast 3000km statt knappe 800km also. Die Bahn ist einfach ein Meister darin kleine Reisen groß erscheinen zu lassen. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Witz ist bei dem die Stuttgarter mitlachen können. Aber genug davon, der Wahnsinn beginnt am Flughafen Berlin Schönefeld.

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass sich meine Erfahrung mit deutschen Flughäfen bisher auf Frankfurt und Frankfurt Hahn (Ja, da gibt es einen beträchtlichen Unterschied!) beschränkt. Kurzgesagt: ich war etwas irritiert wie klein ein Flughafen sein kann, wobei es da noch weit schlimmere Standorte in Deutschland geben soll – in Stuttgart zum Beispiel, hab ich mir sagen lassen. Ich reise nur mit Handgepäck und habe meinen Flug online bereits eine Woche zuvor eingecheckt. Ab durch die Sicherheitskontrollen also. „Uhr auch ausziehen?“ frage ich den Sicherheitsbeamten, der hauptverantwortlich die Plastikkisten auf das Rollband wirft. „Ne, können se anlassen.“. Nun gut, ab durch den Scanner. Zwei Sekunden später piept es laut und blinkt rot, ich werde zur Seite gebeten. Mir fällt mein Gürtel ein und ich nuschle etwas, das für den Sicherheitsmann nicht nach Deutsch geklungen haben muss. „Do you speak english?“, ich antworte im feinsten Hochdeutsch „Ich spreche sogar Deutsch, das war sicherlich mein Gürtel, der für das Piepen verantwortlich war.“. „Kann ick jetzt och nicht mehr ändern.“. Ich werde fünf minutenlang mit einem Plastikstab abgetastet und muss meine Schuhsohlen zeigen, vier Mal – warum auch immer. Aufgrund meiner mangelnden Flughafenerfahrung bin ich deutlich zu früh und muss noch über eine Stunde warten. Als endlich das Gate angezeigt wird und ich mich einreihe, wird mir recht schnell bewusst, dass ich einer der wenigen Deutschen im Flieger sein werde. Eine große Gruppe von ca. dreißig Personen im Alter zwischen vierzig und Mitte fünfzig sorgen mit lautem Gerede für Furore und lassen die Damen bei der Boardkartenkontrolle genervt dreinschauen. Es sind frische zehn Grad als wir auf dem Rollfeld stehen und regnet leicht – Deutschland möchte mich auf seine eigene Weise verabschieden, ich bin leicht gerührt und sehe in meinen Gedanken Reichsbürger mit Tränen in den Augen, die mir winken. Wieder in der Realität schaue ich mir meine Mitreisenden genauer an und kann nun das Herkunftsland der dreißig Mann Gruppe identifizieren – Russland. Sie stehen im T-Shirt oder Tops herum, ohne auch nur den leisesten Eindruck zu vermitteln, dass ihnen kalt sein könnte. Optional haben ein paar noch Adidas-Trainingsjacken um die Hüfte gebunden. Es gibt eine Sache, die ich noch mehr liebe als auf Reisen Menschen zu beobachten – die Bedienung von Klischees. Die Gruppe gibt sich fortan Mühe, auch ein stereotypisches Verhalten an den Tag zu legen. Auf dem Weg zum Flieger versuchen sich mehrfach einige an mir vorbeizudrängeln und auch in der Schlange vor der Treppe zum Flieger wird mir mehrfach Handgepäck in den Rücken oder die Kniekehlen gedrückt. Der sonstige Einsteigeprozess geht dann reibungslos über die Bühne und ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mich nicht gefreut hätte, dass ich neben zwei Portugiesen saß und nicht in der Gruppe meiner Einsteigegegner. Wir heben ab und fast im gleichen Moment wie die Anschnallzeichen erloschen, springt ein großer Teil der Russengruppe auf. Scheinbar sitzen sie verteilt über den Flieger und fangen an sich zu besuchen. Als wenig später die Durchsage kommt, dass man Snacks und Getränke kaufen kann, herrscht helle Aufregung und ein Gedränge zurück zu den eigenen Plätzen beginnt. Es macht sich keiner der Gruppe die Mühe nur ein Getränk zu bestellen, ich errechne einen Durchschnitt von drei Drinks pro Person in der ersten Bestellrunde. Wie könnte es anders sein, muss ein Teil der Belegschaft schon in der zweiten Runde die Spirituosensorte wechseln. Ich werde an dieser Stelle nicht erwähnen von was zu was gewechselt wurde, nur ein kleiner Hinweis: Das Getränk, welches schnell ausgegangen war, reimt sich auf das Fantasiewort Lodka. Wir geraten wenig später in Turbulenzen, die Anschnallzeichen blinken wieder auf. Artig hört man die Gurtschlösser klicken, zumindest in großen Teilen des Flugzeugs. Die Gruppe der Russen interessiert es nicht im Geringsten, dass man nicht mehr aufstehen darf. Es folgen 45 Minuten Kampf der Flugbegleiter gegen immer wieder aufstehende Russen. Es wird insgesamt elf Mal erneut durchgesagt, dass es nicht mehr gestattet ist aufzustehen. Irgendwann kapitulieren die Flugbegleiter und es herrscht eine gewisse Anarchie an Board. Die beiden Portugiesen neben mir sind derweil sehr unauffällig. Einziger Kritikpunkt von meiner Seite aus an der Dame neben mir ist, dass man mit einer Körpergröße von 155cm und einem geschätzten Gewicht von 50kg vielleicht nicht partout auf beide Armlehnen bestehen sollte. Das finde ich als knapp 190cm großer Mensch eigentlich recht fair. Wie auch immer, wir schieben abwechselnd den Ellbogen des anderen von der Lehne und tun dabei so, als würde es zufällig passieren. Für ein kleines Highlight neben den umherlaufenden, mittlerweile solide angetrunkenen Russen, sorgt eine Dame, die beim Aufstehen mit voller Gewalt ihren Kopf gegen die Kofferablage donnert und sich danach vom Schmerz betäubt erstmal wieder hinsetzt und apathisch auf den Boden starrt. Kurz vor dem Landeanflug setzen sich sogar die Russen hin, allerdings nicht an ihre eigenen Plätze. Das führt dazu, dass beim Aussteigen vereinzelnd versucht wird durch den überfüllten Gang zum eigenen Gepäck zu gelangen. Einer der besonders Umtriebigen während des Flugs steht hinter mir und versucht sich an mir vorbeizudrücken. Auch wenn ich ziemlich schlank bin, so schlank, dass man sich in dem schmalen Gang vorbeizwängen kann, wenn alle stehen, bin ich dann doch nicht. Ich werde in eine kurze Schubserei verwickelt, die von einem anderen Russen dann beendet wird, indem er den Querulanten am T-Shirt packt und wegzieht und etwas Entschuldigendes in meine Richtung lallt. Meine Reisen bleiben also spannend und welcher Titel würde besser passen als eine kleine Anlehnung an den James Bond Film „From Russia with love“? Ryanair – aus uns kann etwas ganz großes werden!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Ausweis-Epos