Fitnessstudio
– Blickkontakt vermeiden
Diesen
Blogeintrag widme ich dem Fitness-Studio, das ich in Greifswald besuche. Ich
habe zunächst darüber nachgedacht, eine Ansammlung von Anekdoten aus meiner
bisherigen Trainingszeit dort preiszugeben. Allerdings hat jeder Besuch seine
ganz eigenen komödiantischen Elemente, sodass ich schlichtweg mein letztes
Training zusammenfasse.
Zu
meiner persönlichen Fitness gibt es eher wenig zu berichten, sie ist mal besser
und mal schlechter, fini. Mein Weg zum Studio offenbart mehrere kleine
Gefahrenherde. Der erste ist, dass ich an der großen Bibliothek meiner Uni
vorbei muss. Wenn ich ins Fitness-Studio fahre, könnte man mich Dank meines
Outfits leicht für einen asozialen Vollproleten halten. Ich trage Nikes, die
ich ausschließlich für den Weg ins Studio besitze, eine schwarze Jogginghose
mit „Frankfurt am Main“ Aufschrift in altdeutschen Lettern das rechte Hosenbein
entlang und komplettiere das Outfit mit einem Kapuzenpullover, in der Regel
ebenfalls schwarz oder dunkelblau. Die Gefahr am Weg vorbei an der Bibliothek
ist also vor allem die des Erkanntwerdens. Wenn es dann doch mal passiert,
erwähne ich schon im ersten Satz, dass ich zum Sport fahre oder von dort komme,
um direkt mein äußerliches Erscheinungsbild zu rechtfertigen. Die meisten sind
dann eher über meine Rechtfertigung, als über das Outfit verwundert. Die
nächsten Gefahrenpunkte auf dem Weg sind alte Menschen auf Fahrrädern. Ich habe
seit längerer Zeit die Theorie, dass für Menschen ab einem gewissen Altern
Fahrradfahren nicht nur eine maximale körperliche Anstrengung bedeutet, sondern
vor allem das Ziel hat andere zu blockieren. In unvorhersehbaren
Richtungswechseln wird dann der gesamte Fahrradweg abgemessen, sodass
Überholmanöver auch für mich zum Nervenkitzel werden können.
Nun
aber zu meiner letzten Trainingseinheit. In der Umkleidekabine läuft entweder
Fahrstuhl- oder Softpornomusik. Ich weiß nicht, wer die Idee hatte dort solche
musikalischen Machwerke abzuspielen, wahrscheinlich sollen sie einen zu einem
schnellen Umziehen bewegen. Hat man die Musik und die 90% Luftfeuchtigkeit
gemeistert geht es samt Trainingsequipment rein ins Vergnügen. Ich nicke mehr
oder weniger freundlich den desinteressierten Trainern zu, die teilweise bedeutend
jünger und schmaler sind als ich, was schon etwas heißen möchte. Dann folgt
eine Strecke von schätzungsweise 20 Metern zu den Cardio-Geräten. Ich weiß
nicht, ob es einen Luftzug oder versteckte Ventilatoren gibt auf dem Weg dorthin,
jedenfalls fangen meine Augen exakt fünf Meter vor Erreichen der Laufbänder an
zu tränen. Das führt dann meistens dazu, dass ich in seltsam aussehenden
Zuckungen versuche trotzdem klarzusehen. Im Paradebeispiel laufen natürlich
zwei gutaussehende Mädchen auf den vordersten Laufbändern, die mich irritiert
anschauen. Zur Vermeidung weiterer peinlicher Blicke wähle ich ein Laufband in
der hintersten Ecke, weit weg von den gutaussehenden Mädchen. Der Fokus liegt
nun vorerst voll und ganz auf der Vermeidung jeglichen Blickkontakts.
Nach der
Erwärmung und meinem kleinen Dehnungsprogramm geht es auch gleich zum
Bankdrücken. Mein eher zartes Gewicht ist neben mangelnder Kraft, auch den
hohen Wiederholungszahlen geschuldet. Ein Trainingsprinzip, dass rund 90% im
Studio ablehnen. Bei den meisten gibt es die goldene Regel, dass man lieber
viel zu viel Gewicht auflegt, der Wiederholungsradius zwar bei 1,6° Grad liegt,
aber man anschließend triumphal aufspringt und mit abgespreizten Armen
herumstolziert. Eben einer dieser 1,6° Grad Fraktion geht nach mir an die Bank
und legt unwesentlich mehr Gewicht auf, schaut mich allerdings an als ob er
verdoppelt hätte. Meine nächste Übung ist studiozentriert und findet am Tower
statt. Die Schwierigkeit der Übung liegt nicht in ihr selbst, sondern in der
Ablenkung, die sich gerade im Bereich des Squatracks eingerichtet hat. Eines
der hübschen Mädchen vom Laufband beginnt ein ausgedehntes Beintraining.
Blickkontakt vermeiden ist angesagt. Scheinbar nur bei mir. Die 1,6° Grad
Fraktion positioniert sich sogar extra um, um besser sehen zu können. Ich
stelle die Musik in meinen Over-Ear-Kopfhörern lauter. Nach zehn Minuten und in
eine Übung weiter irritiert mich zunehmend ein Geräusch in meinen Kopfhörern. Ich vermute, dass sie nach
vier Jahren treuen Dienst nun doch den Geist aufgegeben haben und nehme sie ab.
Das Geräusch bleibt. Eine Mischung aus Grunzen und Stöhnen erzeugt einen
infernalischen Lärm. Der Übeltäter ist schnell gefunden. Ein zugegeben sehr
muskulöser Typ liegt auf der Bank und stöhnt bei jeder Wiederholung das Studio zusammen – 130kg,
wenn ich mich nicht verrechnet habe. Nach weiteren eher erignislosen Übungen, abgesehen von der immer stärker werdenden Ablenkung im Squatbereich, betritt noch ein Anhänger der Schwungtheorie die Szenerie. Bei Anhängern der Schwungtheorie ist es üblich, dass man ohne jegliche Erwärmung das Armtraining beginnt. Bei der Durchführung kommt es neben einem Gewicht, was mindestens 30% über dem persönlichen Maximalgewicht liegen sollte, auf die Wiederholungshaltung an. Diese kennzeichnet sich dadurch, dass man das zu hohe Gewicht durch einen enormen Schwung mit dem ganzen Körper ausgleicht. Bloße Bizepscurls werden zur Ganzkörperübung - fantastisch. Das weitere Training läuft eher
unspektakulär ab. Der Versuch nicht in den Squatrackbereich zu schauen
scheiterte noch das ein oder andere Mal. Beim Verlassen des Trainingsbereichs
streiche ich etwas theatralisch meine Kopfhörer runter, man ist schließlich
selbst auch etwas im Rocky-Modus. Neben einem passablen Workout durfte ich
wiedermal 80 Minuten billiges Entertainment genießen, mein Studio ist eben
nicht nur Trainingsstätte, sondern auch Unterhaltungsstudio.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen